„Kinder sind offen, neugierig, ohne Vorurteil, […] begeisterungsfähig, lebensbejahend und zukunftsgläubig“, so äußerte sich die Autorin in einem Interview von Kindern und Jugendlichen.[1]Lesen: ein Leben lang. Kinder- und Jugendliteratur aus Sachsen-Anhalt. Literaturhaus Magdeburg 2009. Birgit Herkula, die im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, im Friedrich-Bödecker Kreis Sachsen Anhalt e.V. sowie im Förderverein der Schriftsteller Sachsen Anhalt e.V. Mitglied war, ist in nur wenigen Literaturlexika vertreten. Herkula, Jahrgang 1960, Tochter eines Fernmeldemonteurs und Tonmeisters sowie einer Sekretärin[2]Fragebogenauskunft an Marianne Jacob., arbeitete seit 1984 als Autorin und Herausgeberin, seit 2005 als freischaffende Schriftstellerin.
Als Chemiefacharbeiterin in Magdeburg ausgebildet[3]Ebd., studierte sie von 1985 bis 1988 am Literaturinstitut in Leipzig. Rosa Domaschke, Silke Irrgang, Gundula Sell, Gudula Ziemer, Wolfram Nagel und André Sokolowski gehörten zu ihren Kommiliton:innen.

In ihrer essayistischen Abschlussarbeit befasste sich Herkula mit der schwedischen Autorin Selma Lagerlöf[4]Birgit Herkula: Selma Lagerlöf und kein Ende. Abschlussarbeit. Institut für Literatur Johannes R. Becher 1988. und stellt eingangs fest: „[D]ie schönste Aufgabe eines Kinderbuchverlages könnte es sein, in seiner angebotenen Literatur die Kinder in ihrer einzigartigen Fabulier- und Phantasiefähigkeit zu bestärken in einer Welt, die […] vom Erwachsenen diktiert wird, in einer Welt von elektrischen Teufeln […], Lieblosigkeit, Streß und Maß“.[5]Ebd., S. 2. Sie schreibt vom DDR-Kinderbuchverlag als dem „Monopolverlag“ und fragt, ob „Bücher, die an realistischem [!] nichts auszusparen suchen“, die „erreichen […], dass sich die Kinder schneller an den Normendschungel des Erwachsenenkodexes anpassen, dass sie immer früher bessere Erwachsene sein können“ wirklich „besser“ sind. [6]Ebd. Kritisch und zugleich mutig fragt sie: „Wo gibt es in der DDR-Kinderliteratur kraftvolle Kindergestalten, denen man selbstverständlich zutraut, allein leben zu können, allein besser als in einem Elternhaus, in dem sie sich nicht verstanden fühlen“?[7]Ebd.
Seit dem Studium wirkte Herkula, die insbesondere die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als eine „sehr herausfordernde Arbeit“ und zugleich als ein „erfüllendes Geschenk“[8]Lesen: ein Leben lang (2009) [siehe Anmerkung 1] sah, als Engagementsbotschafterin, Projektinitiatorin, Schulschreiberin, Kulturmanagerin, 2004 bis 2009 als Leiterin der Schreibwerkstatt für Frauen im Literaturhaus Magdeburg sowie Dorfschreiberin.[9]2013-2014 Olang, Südtirol/ Italien. Vgl. Fragebogenauskunft an Marianne Jacob.
Sie arbeitete von 2006 bis zu ihrem frühzeitigen Tod 2020 als Initiatorin und Leiterin von zahlreichen multimedialen Schulschreib-und Geschichtsprojekten für Kinder und Jugendliche im Rahmen von Schulprojekten, Kinderkulturtagen, in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Magdeburg oder dem Friedrich-Bödecker-Kreis Sachsen-Anhalt. Große mediale Beachtung fand ihr Schulprojekt „Auf den Spuren der Bücherverbrennung“ in einer Sekundarschule in Sachsen-Anhalt, zu der sie die engagierte Schauspielerin Iris Berben für eine Lesung aus dem „Tagebuch der Anne Frank“ gewinnen konnte.[10]Vgl. auch Iris Berben / Nicole Maibaum: Frauen bewegen die Welt. München 2009.
Ich liebe die grünen Mitternachtswege jenseits des Ringes, umhüllt von fließenden Hügeln, die offenen schwedischen Mädchen mit durchwärmten Augen und ihren bepackten Hunden.
Ich liebe die großen Sonnenblumen am Rande von Häuschen, vor denen alte Mütter schwatzen und warten: auf das Ende dieses Tages und des nächsten, mit toten Söhnen unter durchkreuzten Wiesen und schweren Gesängen im Herzen.
Ich liebe die Schalen frischer Milch aus den gegerbten Händen von Hirten, den strengen Käse am gemeinsamen Feuer, eisige Ruhe auf Gipfeln vor dem frischen Läuten der Glöckchen von Ziegen.
Ich liebe den ruhigen Lauf des Flusses, die Sümpfe und Wiesen an seinen Ufern, Essen, gewürzt mit den fernsten Kräutern, die Weine aus Gottes eigenem Land.
Ich liebe das Wandern zwischen den Welten in beladenen Autos mit Wodka im Kopf.
Ich liebe das Belgische Meer, gebräunte Männer aus dem weiten Flandernland, die beim Spiel an die Lieder denken von Biel.
Meine Fremde, Amsterdam, Kanäle, das Drehen im Kreise.
Paris im algerischen Licht, durchweißt bis an die Füße des Turmes.
Ich liebe das Lachen von Kindern in den krachenden Wellen des großen Meeres, das fröhliche Ende einstürzender Burgen.
Ich liebe dich, wenn du am Abend das Himmelblau deiner Augen auf die Austern von Arcachon legst und dein Lächeln unsere warmen Hände umschließt.
Birgit Herkula aus: Bürgerin D (Romanmanuskript), Kurzgeschichten
Weißes Haus
Blaues Haus
Buntes Haus
Baumhaus
Brauhaus
Bauhaus
Ein Haus
Kein Haus
Mein Haus
Dein Haus
Hausform
Hauswurm
Mauswurm
Raus Wurm!
Raus Maus!
Rein ins Haus
Reihenhaus
Der weiße Wurm
Laienhaus
Schräges Haus
Hausbau
Hausraum
Würfel Quader
Quellen Ader
Aber:
Ich weiß nicht wo
Das Haus ist roh
Ich bin verkommen
Ganz benommen von der Hülle
In der Fülle
Nichts zu sehen
Zu verstehen
Amtsgetümmel
Im Gewimmel
Der Gesetze
Glattgeleckt
Und salzbefleckt
Formbestimmt und aufgelebt
Wunderhaus
Steht das Bauhaus
in Athen, in Tel Aviv
Will noch leben will nicht weichen
Ist doch immer für die reichen
Menschen mit Visionen
Weise Welt in weißen Räumen
Kubus argwöhnt mit sich selbst
Birgit Herkula: Bau Haus, zum 100. Bauhausjubiläum, in: Schreibkräfte 5/2019.
Die Autorin dankt Hans Deckwirth für die weiterführenden und hilfreichen Auskünfte.
Autorin: Marianne Jacob
References
↑1 | Lesen: ein Leben lang. Kinder- und Jugendliteratur aus Sachsen-Anhalt. Literaturhaus Magdeburg 2009. |
---|---|
↑2 | Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. |
↑3 | Ebd. |
↑4 | Birgit Herkula: Selma Lagerlöf und kein Ende. Abschlussarbeit. Institut für Literatur Johannes R. Becher 1988. |
↑5 | Ebd., S. 2. |
↑6 | Ebd. |
↑7 | Ebd. |
↑8 | Lesen: ein Leben lang (2009) [siehe Anmerkung 1] |
↑9 | 2013-2014 Olang, Südtirol/ Italien. Vgl. Fragebogenauskunft an Marianne Jacob. |
↑10 | Vgl. auch Iris Berben / Nicole Maibaum: Frauen bewegen die Welt. München 2009. |